Text anlässlich des Atomunfalls in Japan vom 11.3.2011
Veröffentlich von:
Dr. Klaus Heidler
Solar Consulting GmbH
Agentur für nachhaltige Kommunikation/Agency for Sustainable Communication
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Risikohöhe und Risikowahrscheinlichkeit – Die Grenzen des Bewusstseins bei der Atomenergie

In Japan droht nach einem Erdbeben ein atomarer GAU in mindestens einem Atomkraftwerk. GAU heißt größter anzunehmender Unfall. Es ist das Risiko, das Ingenieure bei der Auslegung eines Atomkraftwerks noch berücksichtigen. Die Risikowahrscheinlichkeit, dass ein GAU eintritt, ist sehr gering. Deshalb verdrängen das die meisten Menschen. WENN der Gau eintritt, ist jedoch die Höhe der möglichen Folgen unvorstellbar hoch. Das hat 1986 Tschernobyl gezeigt – und dabei auch die Bewusstheit für den Unterschied zwischen Risikohöhe und Risikowahrscheinlichkeit enorm gesteigert. Es gibt Risiken, deren Folgen so verheerend sind, dass man sie einfach nicht in Kauf nehmen darf, egal wie unwahrscheinlich sie sind. Für mich heißt das, dass es keine „friedliche“ Nutzung der Atomenergie geben kann, weil ihre Folgen die schlimmsten Kriege in den Schatten stellen können.

Die Bewusstheit nach Tschernobyl hat immerhin so lange gedauert, dass alle (!) Parteien den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen haben, der schließlich in einem Vertrag zwischen Regierung und Energiewirtschaft mit konkreten Laufzeiten gegossen wurde. Die Bewusstheit hat auch dazu geführt, dass mit dem Erneuerbare Energien Gesetz und all den nationalen und europäischen Klimazielen der Anfang für eine nachhaltige friedliche Versorgung mit Energie gemacht wurde. Leider ist diese Bewusstheit so verblasst, dass die Regierung mit der Energiewirtschaft diesen gesellschaftlichen Grundsatzkonsens zur Atomenergie Ende 2010 kündigen konnte.

Vielleicht helfen die Vorgänge in Japan jetzt dem Erinnerungsvermögen der Menschen auf die Sprünge. Vielleicht dauert diese Auffrischung so lange, bis die erneuerbaren Energien auch ihre wirtschaftlichen Vorteile so zeigen können, dass es keine Frage mehr ist, was den Menschen lieber ist - Geld oder Leben. Wir können alle Menschen dieser Erde mit erneuerbaren Energien gut versorgen. Es ist ganz klar, dass wir dazu all die wunderbaren Ziele zu Klimaschutz und Energieeffizienz ernst nehmen und umsetzen müssen. Es kann gut sein, dass man dann vielleicht nicht mehr so schnell zum Musicalwochenende nach New York fliegt, aber es wird noch genug Spaß für alle geben. Vor allem werden wir wieder mehr auf das große Ganze schauen, denn von der Unversehrtheit dieses großartigen und sensiblen Ökosystem hängen wir alle gleich ab. Neben der Begrenztheit der Ressourcen könnte das auch den Blick für die Fülle schärfen, die sich automatisch ergibt, wenn man mehr an Teilen als an Raffen denkt.

1975 hieß es die Lichter gehen aus, wenn man das Atomkraftwerk in Whyl nicht baut, im amerikanischen Bürgerkrieg hieß es, die heimische Wirtschaft bricht zusammen, wenn man die Sklaverei abschafft - Genauso wenig werden wir hungern und frieren, wenn wir konsequent erneuerbare Energien ausbauen. Höchstens wenn wir das nicht tun! Dann ist frieren vielleicht noch das kleinere Übel.

Ich wünsche uns allen jedenfalls, dass wir die guten Ziele der deutschen und europäischen Klimapolitik auch dann weiter verfolgen, wenn sie zu finanziellen Belastungen und Verhaltensänderungen führen. Sonst gleicht man dem Schuldner, der einen Eid nach dem anderen schwört, die Begleichung seiner Schulden aber immer wieder auf morgen verschiebt. Bei Schulden mag das ja noch nachvollziehbar sein. Bei der Bedrohung der Lebensgrundlagen für unsere Mitmenschen und Nachkommen ist es unentschuldbar.

Bitte helfen Sie mit, dass eine menschen- und umweltfreundliche Klimapolitik nicht nur angekündigt sondern auch umgesetzt wird.